MÖADA LIADA, OAGE GSCHICHTN
Von Generation zu Generation werden sie mündlich weitergegeben, die Geschichten vom Holzknechtseppl und seiner Bande, den Stradafüßlern. Die Räuberpassion bringt sie auf die Bühnen des Landes. Mord und Brand inklusive.Der Holzknechtseppl
Seine Hinrichtung wollten Tausende sehen. Kein Wunder, er war einer der richtig Bösen: Nikolaus Schmidhofer, genannt Holzknechtseppl, war einer der unglaublichsten Räuber des Landes – und ist dennoch erstaunlich unbekannt.
Mit seiner fünfzigköpfigen Bande, den Stradafüßlern, hat er die Grenzregion im südlichen Niederösterreich in Atem gehalten. Mord, Brand, das volle Programm.
Sein Waldviertler Zeitgenosse Grasel war gegen ihn der reinste Ministrant.

200 Jahre später bringt der Gunstverein das Leben des Holzknechtseppl auf die Bühne. Die Räuberpassion erzählt es in Szenen, in denen tiefschwarzer Humor aufblitzt und in Liedern, dunkel und hart wie die brutalen Taten der Stradafüßler. Nichts für Kinder und schwache Nerven.

Der Gunstverein
2018 treffen sich zwei Schulfreunde, die sich 30 Jahre lang nicht gesehen haben: Manfred Tauchner und Nikolaus Link. Ersteren lassen die Berichte über die Bluttaten der Stradafüßler aus den Ortschroniken von Trattenbach bis Pinkafeld schon seit Längerem nicht mehr los. Letzterer ist gerade dabei, Mörderballaden im Dialekt zu verfassen, und macht sich über die schockierend-faszinierende Historie des Holzknechtseppl her.
Viktoria Hillisch, Ernst Tauchner, Georg Bauernfeind, Stefan Trenker, Georg Winter und Thomas Lechner schließen sich komponierend, singend, schauspielend, schreibend und musizierend der Bande an. Der Gunstverein e.V. nimmt seine Arbeit auf und bringt die Geschichte der Stradafüßler als Räuberpassion auf die Bühnen der Region.

Zum Stück
Wer die Geschichten rund um den Holzknechtseppl zum ersten Mal hört, will es nicht glauben: Doch die Räuberpassion beruht auf historischen Tatsachen. Die unfassbaren Grausamkeiten sind belegt, Dokumente wie die Predigt des Pfarrers bei der Hinrichtung sind wortwörtlich erhalten.
Dennoch ist die Räuberpassion kein Geschichtsbuch: Die Spannung zwischen dem, was ein G’schichtl ist, und dem, was man Geschichte nennt, ist nicht nur geduldet, sie ist erwünscht.
Wahr ist und bleibt das Unbegreifliche: Menschen fügen anderen Menschen auf brutalste Art und Weise Leid zu. Und wie gehen wir als Gesellschaft damit um? Wir schaffen vereinfachte, sensationsgeile Erzählungen über die „Ab-Artigen“, und erzählen sie weiter von Generation zu Generation: Schaulust, getarnt als Entsetzen. Erzählungen über das Böse, die verdrängen, dass es Erzählungen über uns sind: heute und hier.
Unsere Narrative versuchen, erklärende Kausalitäten im Leben von Menschen wie Nikolaus Schmidhofer zu finden. Sie klammern dabei aus, dass die Holzknechtseppln dieser Welt gar keine so ganz anderen sind, sondern Menschen wie wir. Und sie verdrängen die Tatsache, dass alles, was in diesen Menschen vorgeht, direkt verbunden ist mit dem, was wir miteinander als Gesellschaft sind.
Folgerichtig beschränken sich politische Antworten heute wie damals auf Verdrängung und vereinfachende Symptombeseitigung: aufhängen, ausweisen, einsperren. Doch das löst kein Problem: Denn die wahren Ursachen abnormer Brutalität kann nur beseitigen, wer sich ehrlich der Frage der gesellschaftlichen Mitverantwortung stellt.
Foto: August Lechner
Foto: August Lechner
Foto: August Lechner